Mikrokosmos O-Bus

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Vorab: So kurios meine Erlebnise in den Öffis auch sein mögen, sie sind mir tausendmal lieber als ausdruckslose Gesichter, die in ihre Smartphones starren und all die wunderbar seltsamen Gestalten um sich herum nicht wahrnehmen. Welche Gestalten? Habe ich der Einfachheit halber in einer Typologie zusammengefasst. Ausnahmen bestätigen auch hierbei die Regeln.

Der Daytime-Alki

Schauplatz Haltestelle Herrnau. Ein torkelnder Mann Mitte 40 setzt sich neben mich, zieht prompt die Rotweinflasche unterm Mantel hervor und nimmt einen großen Schluck. Großzügig wie Jesus beim letzten Abendmahl reicht er mir den Fusel und haucht mich mit alkoholbeflecktem Mundgeruch an: „Host an Durscht?“ Wegen der in mein Gedächtnis eingebrannten Warnung meiner Mutter, nicht mit Fremden zu sprechen, erwidere ich höflich, aber abweisend ein: „Nein, Danke.“ (Es war ja auch kurz vor 9 Uhr und ich auf dem Weg zur Uni.) Während ich versuche ihn zu ignorieren und Luft aus der entgegengesetzten Richtung einzuatmen, nuckelt er genüsslich am Billigwein. Er erzählt mir seine halbe Lebensgeschichte, dass sein Kater Roy letzte Woche kastriert wurde und er sich später zu Mittag ein Käs-Leberkäs-Semmerl gönnen würde. Der tiefe Atemzug am Justizgebäude tat soooooo gut.

Wie man es besser macht: Im Geheimen, in Bars oder auf Christkindlmärkten saufen, wie jeder zivilisierte Mensch.

Die singende Diva

In einen lehmbraunen Mantel gehüllt und mit schmalem roten Schal um den Kopf gebunden, steigt sie an einem sonnigen Herbsttag beim Äußeren Stein zu. Sie stammelt etwas Unverständliches vor sich hin, bis ihr Autolog immer lauter wird und sie schließlich durch den halben Bus schreit. Sie regt sich über das Arbeitslosenproblem auf und beklagt, dass die jungen Leute heutzutage „EH NIX MEHR HACKELN WOLLEN!!!“ Die wenigen Fahrgäste im Bus werfen sich verwirrte und teils amüsierte Blicke zu. Plötzlich schwenkt die Solo-Entertainerinvom Selbstgespräch zur Opern-Arie um, die sie laut und selbstbewusst dahinträllert. Beim Kiesel schließlich verlässt sie erhobenen Hauptes und engelsgleich den Bus. Sie verschwindet im Gewusel des Einkaufszentrums und zurück bleibt eine Handvoll verdutzter Pendler und Touristen.

Wie man es besser macht: Gar nicht. Die innere Stimme zu verbalisieren kann als Ventil wirken und tut doch gut.

Der proletige Teenager

Ein pummeliger 13-Jähriger hievt bei der Akademiestraße sein Mountainbike in den hinteren Teil des Busses. Ganz lässig lehnt er sich an sein Rad (erster Belastungstest!), macht sich zischend seine Energydrink-Dose auf und sieht mich ganz lässig an. Stolz verkündet er auf Salzburger-Stadtdeutsch: „Des hab i heut zum Geburtstag kriegt.“ Anschließend berichtet er mir detailliert von den ganzen tollen Features seines Rades und dass er es gleich mal austesten werde, beim Mountainbike-Trail in der Josefiau. Warum er denn nicht gleich mit dem Rad dorthin fahre, anstatt den Bus zu nehmen, traue ich mich den Babyspeck auf zwei Beinen nicht zu fragen. Meine Sympathien schwinden, als er sagt: „Haben Sie ois Kind ah so a cooles Mountainbike g‘habt?“ Nicht mehr als „Kind“ durchzugehen ist ja mit Mitte 20 verständlich, aber gleich mit „Sie“ angesprochen zu werden schockiert mich so sehr, dass ich beinahe die Stricknadeln fallen lasse.

Wie man es besser macht: Auf den Bus verzichten, den breiten Hintern aufs Rad schwingen und gefälligst aus eigener Kraft zum Zielort strampeln.

Der Pick-up-Rassist

„Destiny“ heißt der junge Mann, der den Salzburger O-Bus kurzzeitig in eine Flirtzone verwandeln will. Als er sich bei mir vorstellt, fallen mir sofort 1.000 schlechte Stripperinnen-Witze ein und ich habe Mühe, mir das Lachen zu verkneifen. Doch mein breiter Grinser ermutigt ihn, weiterzumachen und er verwickelt mich in ein Gespräch. Der ankommende Bus sollte meine Rettung sein, doch Destiny fährt extra noch ein Stück mit, um sich mit mir unterhalten zu können. Als ich ablehne ihm meine Nummer zu geben, wird meine anfangs so höfliche Bus-Bekanntschaft plötzlich todernst und wirft mir in der Rush-Hour lautstark Rassismus vor. In der Akademiestraße verlässt er den Bus und – wie es das Schicksal will – auch mein Leben.

Wie man es besser macht: Die höchsten Flirtchancen hat man schmittwochs (am Studenten-Mittwoch) und donnerstags mit dem letzten Bus ab Haltestelle Rathaus.

Der mutmaßliche Schneehasser

Am Makartplatz steigt ein 1,55 m großer Mann, mit hellbraunen Haaren in den 3er. Er scheint Probleme mit dem Gleichgewicht zu haben. Ob das auf das 16er-Blech seitlich in seinem Rucksack oder den toxisch-riechenden Inhalt seiner Vöslauer-Flasche zurückzuführen ist, lässt sich nicht sagen. Vielleicht hat er auch eine Mittelohrentzündung. Er stellt sich hinten in den Bus, tippt aggressiv gegen die Fensterscheibe und fängt an energisch loszuquasseln: Wörter wie „Vatikanu“ und „Michael Jackson“ (ausgesprochen als: „Meikel Jegsn“) lassen mich darauf schließen, dass es eventuell um Kinderschänder geht. Auch der viele Schnee scheint ihn zu stören, wirft er doch immer wieder mit geballter Faust Drohgebärden gegen den schneienden Nachthimmel. In der Akademiestraße verlässt er den Bus und torkelt zielsicher zur Tankstelle.

Wie man es besser macht: Bei Gleichgewichtsproblemen (der Mann hatte bestimmt eine Mittelohrentzündung) lieber im Bett bleiben.

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